Pressemitteilung: Bürgewälder vernetzen, erweitern und stärken – ZKS stellt Raumkonzept für einen l(i)ebenswerten Naturraum der Zukunft vor
Ausgangssituation: Die Bürgewälder Hambacher Wald und Steinheide leiden unter massivem Trockenstress. Das erhebliche Wasserdefizit, dem die Bäume bereits seit Jahren durch Zerstörung des natürlichen Waldgefüges, durch heiße Aufwinde aus der Tagebaugrube und durch Eingriffe in den Wasserhaushalt ausgesetzt sind, hat sich seit dem Sommer 2018 dramatisch verschärft. Den Bäumen steht seit Juli 2018 nicht mehr genug Wasser zur Verfügung, weil die Niederschläge im Winter/Frühjahr 2018/2019 das Defizit nicht decken konnten.
Eigene Erhebungen und Dokumentation – Studie „Hambacher Forst in der Krise (II)“: Im Rahmen von eigenen Beobachtungen und Befliegungen (mit einer Drohne) haben wir in der Steinheide und im Hambacher Wald den Zustand der Wälder in ausgewählten Bereichen erfasst und dokumentiert. Besonders Bäume wie Stieleichen und Buchen im Alter von 100plus leiden massiv. Auch die im Auftrag von greenpeace e.V. erstellte Studie „Hambacher Forst in der Krise (II)- Temperaturmessungen zur Beurteilung der mikroklimatischen Situation des Waldes und des Randbereichs“ belegt den dringenden Handlungsbedarf.
(Autor*innen: Jeanette S. Blumröder, Pierre L. Ibisch. Centre for Econics and Ecosystem Management an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde und Steffen Kriewald, Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK))
Entwicklung des Naturraumes als Teil des Strukturwandels verstehen: In unserem Konzept „Gutes Leben- Gute Arbeit“ (www.revierpespektiven-rheinland.de) entwickeln wir einen visionären Ansatz für die regionale Entwicklung unter der Leitfrage: Wie wollen und wie werden wir in Zukunft leben? Unser Konzept basiert auf der Vernetzung wesentlicher Lebensbereiche. Unser Ziel ist, dass der Strukturwandel zu einem höherem Flächenanteil von Wald und Naturflächen und zu vielfältigen, kleinräumigen Nutzungsformen im Sinne der biologischen Vielfalt führt.
Die AG Naturraum hat diesen Leitgedanken aufgenommen und ein Handlungskonzept entworfen, mit dem Ziel, sowohl die heutige Situation der Bürgewälder schrittweise zu verbessern als auch Pilotprojekte für den Wald der Zukunft in unserer Region zu initiieren. Für die Bevölkerung wird so ein attraktiver Naturraum erhalten bzw. geschaffen, für unsere Mitwelt wird die Chance für mehr biologische Vielfalt eröffnet.
Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Hambacher Wald, der als Nukleus (Kern) für unser Konzept dient. Das Konzept geht aber darüber hinaus. Auch wir wissen nicht, wieviel Eingriff und Unterstützung für den Wald gut ist – wir wollen es ausprobieren durch Reallabore und wissenschaftliche Begleitung unterschiedlicher Ansätze. Unsere Leitidee zur Umsetzung ist ein Dreiklang aus Vernetzung, Stärkung und Erweiterung.
1. Vernetzung der Bürgewälder bedeutet:
— Wir fordern einen Ökosystemverbund westlich beginnend mit dem Merzenicher Erbwald über den Hambacher Wald, die Steinheide bis in die Erftaue als Weiterentwicklung des Waldentwicklungskonzepts des Rhein-Erft-Kreises. Hier eine grafische Darstellung zum Download als PDF: Waldvernetzung-Raumkonzept-ZKS-2
— Der Verlauf der Wiedervernetzung der Bürgewälder Merzenicher Erbwald, Hambacher Wald und Steinheide orientiert sich grundsätzlich an der Trasse der alten A4, dabei ist die Fläche so planen, dass eine ökologische Funktionsfähigkeit gegeben ist.
— Je nach der endgültig festgesetzten Tagebaukante muss der Verlauf des Vernetzungsbereiches räumlich angepasst werden. Dafür sind Aussagen von RWE und Landesregierung bezüglich des Abschlussbetriebsplanes notwendig.
— Unsere räumlichen Vorstellungen haben wir in einer Karte „Lebenswerter Naturraum der Zukunft“ zusammengestellt.
— Nachbarkreise sollen konzeptionell einbezogen werden, um einen möglichst weiträumigen Biotopverbund aufzubauen.
2. Erweiterung der Naturraumflächen – Reallabore für die Forschung schaffen
— Im Bereich der vorgesehenen Wald-/Freiflächenvernetzung, in dem zur Zeit kein Wald vorhanden ist, soll in Form von Reallaboren die Möglichkeit geboten werden, verschiedene Strategien der Waldentwicklung zu überprüfen. Dafür bieten sich verschiedene Forschungsansätze an, für die Fördermittel im Rahmen des Strukturwandels im Rheinischen Revier bereitgestellt werden müssen. Im Folgenden hierzu einige Vorschläge:
1. Klimaeignung nicht-heimischer europäischer Baumarten, z.B. Standorteignung mediterraner Eichenarten überprüfen
2. Strategie Sukzessionswälder überprüfen , Langzeitbeobachtung auf dafür festgesetzten Flächen
3. Experimentierflächen mit einheimischen Baumarten, deren Eignung für den Klimawandelwald vermutet wird (in Mischkulturpflanzen)
4. In Anlehnung an die aktuellen Waldkonzepte der Naturschutzverbände BUND und NABU steht für uns ein artenreicher Laub-Mischwald im Zentrum, Nadelbäume sollten nicht angepflanzt werden. Angesichts der in den Naturschutzverbänden unterschiedlichen Positionen zur Waldentwicklung schlagen wir die Anlage von Vergleichsflächen in direkter Nachbarschaft vor. Die geeigneten Fragestellungen sollen im Rahmen der ausgeschriebenen Forschungsprojekte formuliert werden.
3. Stärkung der Ökosysteme – Wald und Agrarlandschaft
1. In der Vernetzungszone sollen Forschungsprojekte zu alternativen Landnutzungsformen, wie z.B. Agroforstsysteme, erprobt werden.
2. Die Vertreter der Landwirtschaft sollten hier mit dem ZKS gemeinsam für den Erhalt der landwirtschaftlichen Flächen eintreten und für die Forschung für klimaresiliente Böden und Nutzungsformen.
3. Eine zentrale Aufgabe sehen wir in der Verbesserung der Bodenqualität, um eine zukunftsfähige Landwirtschaft in unseren Bereichen zu gewährleisten.
4. Das bedeutet für uns die deutliche Steigerung des Anteils ökologischen Landbaus.
Für die Bürgewälder, insbesondere den Hambacher Wald:
Im Vordergrund stehen für uns kurzfristige Maßnahmen zur Stärkung der geschädigten Bürgewälder, insbesondere des Hambacher Waldes. Wir übernehmen die Empfehlungen der oben zitierten Studie „Hambacher Forst in der Krise“.
1. Sofortiger Stopp des Abbaggerns v.a. auf der dem Hambacher Forst zugewandten Seite.
2. Einrichten einer thermischen Pufferzone von möglichst 500 m durch Wiederbewaldung mit einheimischen Arten auf dem gerodeten Gelände vor dem Tagebau, aber auch auf den umliegenden Flächen, einschließlich der Kiestagebaue und der landwirtschaftlichen Flächen.
3. Bei anhaltender Dürre in den kommenden Jahren eine ökologisch verträgliche Bewässerung gewährleisten.
4. Vorhandene Entwässerungssysteme Verschließen bzw. zurückbauen
5. Rückbau der befestigten Wege und Straßen
6. Totholz im Wald belassen
7. Keine Befahrung des Waldes und der Waldränder
Fazit:
1. Wir bringen unser Konzept „Bürgewälder vernetzen , erweitern und stärken“ in die Diskussion der Revierknoten „Raum“ und „Agrobusiness und Ressourcen“ im Rahmen der Programmentwicklung der Zukunftsagentur Rheinisches Revier ein.
2. Der Strukturwandelprozess im Rheinischen Revier muss nach Auffassung des ZKS viele Lebensbereiche vernetzen. (vgl. Strukturwandelkonzept des ZKS unter www.revierperspektiven-rheinland.de)
3. Wald und landwirtschaftlich genutzte Flächen bilden den Naturraum für die Bevölkerung in unserer Region, die in Zukunft Erholung und Grundlage für die Ernährungssicherheit bieten muss.
4. Strukturreiche Klimawandelwälder und eine regionalisierte, ökologische Landwirtschaft sind für uns die wesentlichen Elemente der Zukunft unserer Region.
Arbeitsgruppe Naturraum des ZKS
Andreas Büttgen
Graf Godehard Hoensbroech
Marion Küke
Jutta Schnütgen-Weber